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Managing a VUCA world: Ein Erfahrungsbericht Teil 2

In meinem letzten Artikel hatte ich beschrieben, wie sich für uns als Berater, Coaches, Trainer das Umfeld und die Anforderungen durch Corona kurzfristig verändert haben und erste Ideen gedacht, was von diesen Auswirkungen dauerhaft bleiben wird. Dabei ist klar geworden, dass sich Vieles fundamental ändern wird. Man darf sich durchaus trauen, von einer Disruption, also einem massiven Umbruch zu sprechen, der nicht nur die Geschäftsmodelle von Coaches und Trainern verändern wird, sondern alles auf den Prüfstein stellt, was wir derzeit im Bereich Aus- und Weiterbildung als normal erachten. Teilweise werfen die Auswirkungen von Corona bereits für innovativ gehaltene Ansätze schon wieder über den Haufen. Ein Blended Learning Konzept oder ein Online-Training kann - falsch gemacht - schon heute wieder zum alten Eisen zählen.

Wir waren alle offengestanden ein bisschen im Panikmodus. Als ausgemachte Profis im erlebnisorientierten Präsenztraining für Führungskräfte und deren Teams haben wir unsere Stärken in Didaktik und Präsentation schon für unangreifbar gehalten. Der erste Impuls, wenn einem seine eigenen Stärken um die Ohren fliegen, ist der Versuch, die alten Kompetenzen auf eine neue Anforderung zu übertragen.


Wir nennen das Horizontalflucht. Dieses Bestreben sehen wir auch bei Menschen, die sich aus einer Expertenfunktion in eine Führungsposition verändern. Dort wird oft die Exzellenz der alten Rolle als Grundlage für die neue Challenge verwendet. Konkret: ein Top-Vertriebler wird zum Vertriebsleiter gemacht. Und findet heraus, dass die Stärken, die ihn zum Top-Vertriebler gemacht haben, nicht automatisch als Führungsstärken taugen. Ein alter Trugschluss aktueller denn je. Das Ergebnis: das Unternehmen hat einen Top-Vertriebler weniger und eine überforderte Führungskraft mehr. Für alle Beteiligten ein schlechter Deal.

Für unsere Branche gilt hier: wollen wir die Herausforderungen an Traininig, Coaching oder Beratung auf Distanz mit unseren Kompetenzen der Vergangenheit lösen, haben wir einen Top-Trainer weniger und einen schlechten Online-Moderator mehr. Wenn wir es aber richtig machen und entsprechend in Ausbildung, Technik und didaktische Ansätze investieren, können wir die Stärken der Vergangenheit zu den Assets unserer Zukunft machen. Das gilt für jeden selbständigen Coach oder Trainer genauso wie für die unternehmensinternen Aus- und Weiterbildungsprofis. Es werden sich dabei Berufsbilder in diesem Bereich verändern, völlig neue werden entstehen. Dazu später mehr. Und es wird bei aller Veränderung auch diejenigen geben, die mit ihren exzellenten „alten“ Kompetenzen nach wie vor erfolgreich Präsenztrainings machen werden. Kombiniert mit neuen Ansätzen für viele (gute) Kollegen das Geschäftsmodell der Zukunft.



Es wird vielleicht ein bisschen so sein, wie bei der Renaissance des Altbekannten bei Autos oder Uhren. Die digitale Uhr hat den exzellenten mechanischen, zumeist hochpreisigen Zeitmesser nie ersetzt. Für billige Uhren gibt es aber spätestens seit der Generation Y, die den Siegeszug des Smartphones mit dem Verzicht auf Armbanduhren verbindet, keine Existenzberechtigung mehr. Genauso wie heute aber Menschen teure mechanische Uhren oder hochspezialisierte Smartwatches kaufen, wird es einen Markt geben für hervorragende Trainer (ohne online) und Spezialisten, die technisch optimiert, alle Stücke im immer komplexer werdenden Aus- und Weiterbildungsmarkt spielen werden.

Zurück zur versprochenen Technik. Wie sind wir jetzt mit unserer Panikzone umgegangen und wie haben wir versucht, alte Kompetenzen mit neuen Methodiken zu verbinden?

Das Ergebnis war für uns alle faszinierend. Wir konnten tatsächlich unsere bekannten Abläufe des Präsenztrainings auf ein Online-Format übertragen und hatten zusätzliche Methoden zur Verfügung, die in dieser Form vorher nicht möglich gewesen wären.

Bei unseren Experimenten mit verschiedenen technischen Ansätzen für optimales Online-Training oder Online-Coaching standen für uns folgende Anforderungen im Vordergrund (neben den im vorhergehenden Artikel erwähnten):


  • Eine super Customer-Experience (Teilnehmer haben Spass am Seminar, großen Nutzen im Coaching-Prozess)

  • Nachhaltige Lern-Effekte

  • Ermüdungsfreies Online-Arbeiten (für TeilnehmerInnen und TrainerInnen)

  • Das klassische 1:n-Setting also ein Trainer arbeitet mit mehreren Teilnehmern online (ergänzt um 2:n also Trainer und Co-Trainer arbeiten an einem oder mehreren Orten mit mehreren Teilnehmern online wie offline).

  • Inhaltlich: Übertragung von Themen wie Change, Konflikt-Management, Teambuilding, Kommunikation, Stressmanagement, Talent-Entwicklung auf ein ansprechendes Online-Format

  • Arbeiten im Stehen (Ton, Stimme, Präsenz, Beweglichkeit).

Das waren zunächst einmal unsere ganz individuellen Anforderungen, die wir mit vernünftigem, technischen Aufwand umsetzen wollten. Dabei stand uns kein 100.000 EUR-Budget zur Verfügung und auch eine aufwändige personelle Unterstützung (für Kameraführung, Ton und Technik) war keine Option. Auch war klar, dass eine oder mehrere normale Webcams diese Anforderungen nicht erfüllen konnten. Dazu kam offengestanden die eigene Erfahrung aus dem Homeoffice, das zwar schon mit Greenscreen und Stehpult ausgestattet war, aber immernoch mit drei Kindern im Homeschooling „geteilt“ werden musste. Also gab es die ergänzenden Anforderungen: Ruhe und Fokus und: alles muss stehenbleiben können wie einmal optimal eingestellt.


Das Ziel war damit definiert: wir benötigen ein eigenes Studio, das die Bedürfnisse an Online-Training und -Coaching sowie Moderation erfüllt und vom Trainer selbst bedient werden kann.


Unsere weiterführenden Anforderungen: vier verschiedene Kameraeinstellungen, darunter eine „Top-Down“-Kamera für Mitschriften, Zeichnungen, Dokumentationen auf dem Tisch. Dabei sollten wir unkompliziert von der einen auf die nächste Einstellung umschalten können, ohne dafür in die Kameraeinstellungen von Zoom oder Teams eingreifen zu müssen. Die Kameraqualität sollte exzellent sein.

Unsere ersten Versuche mit hochwertigen Spiegelreflexkameras scheiterten schnell. Die Idee, sie mittels eines sogenannten Camlinks zur Webcam umzufunktionieren war naheliegend und grundsätzlich möglich. Scheiterte aber völlig an technischen Details. Der zweite Versuch mit einem guten Camcorder und einer sogenannten Systemkamera funktionierte super. Das richtige Stativ brachte uns zwei verschiedene Kameraeinstellungen für Präsentation und Flipchart im Wechsel. Das Umschalten war nach wie vor umständlich. Erst ein kleines Bildmischpult - der grossartige Tip eines Trainerkollegen aus Berlin - hat unser Problem gelöst und unser Setting um zwei weitere Kameraeinstellungen ergänzt. Gute Mikros konnten mit diesem Mischpult eingebunden werden. Das Ton-Problem war gelöst. Darüberhinaus haben wir noch ein paar Schallabsorber installiert, um Probleme mit Hall zu vermeiden (Decke, Wände, Boden). Weitere Details:

  • Zwei Wände als Greenscreen

  • Einen elektrisch höhenverstellbaren Tisch

  • Vier Systemkameras

  • Einige sogenannte Softboxen (Standleuchten mit Reflektor)

  • Einen Beamer als Publikumssimulation

  • Mehrfarbige Rollos als Hintergrund (schwarz, grau, weiss) für Interview oder Co-Moderation

  • Einen leistungsfähigen Computer als „Basisstation“

Bildbeschreibung: Reifenwechsel während der Fahrt. Alles Baustelle aber bereits voll im Einsatz



Darüberhinaus hatten wir eine Spezialanforderung, die uns vor weitere Herausforderungen stellte: wir wollten auch Seminarteilnehmer live vor Ort begrüssen und diese bei Gruppenarbeiten mit den Online-Teilnehmern verbinden können. Mehr zu der Umsetzung dieser sogenannten Hybrid-Trainings in einem der nächsten Artikel.


Das 1:n-Setting war aber bereits erfüllt, also ein Trainer macht ein Online Seminar für mehrere Teilnehmer, nutzt dabei bis zu vier Kameraeinstellungen, bindet Screensharing ein und kann mit der Über-Kopf Kamera hervorragend eigene Zeichnungen, Graphic Recordings oder Bodenanker einsetzen. Darüberhinaus haben wir in vielen Fällen vorgefertigte pdf-Präsentationen über ein iPad eingebunden und mittels Apple-Pen (man möge mir diese unbezahlte Werbung verzeihen) einzelne Graphiken ergänzt und damit die Präsentationen sowohl im Webinar ohne Interaktion als auch im interaktiven Online-Training mit kleinerem Teilnehmerkreis lebendiger gestaltet.


Hier sei am Rande eine Alternative zu unserem selbstentwickelten Setting erwähnt: von Logitec (unbezahlte Werbung ;-)) gibt es das sog. Groups, welches mittels schwenkbarer Kamera ebenfalls verschiedene Einstellungen möglich macht. Dieses Setting kann für einige Anwendungen (speziell, wenn mehrere Menschen an einem Tisch sitzen und mit mehreren anderen Menschen, die woanders an einem Tisch sitzen, kommunizieren wollen) interessant sein. Für uns war es das nicht. Grund: nicht ausreichend gute Tonqualität, Kamera wandert von Einstellung zu Einstellung und hat keine Überblendungen (sehr nervig für die andere Seite speziell bei grossen Bildschirmen oder Beamerprojektionen) und sowohl Aufzeichnungen als auch Streaming sind nicht in der notwendigen Qualität möglich).



Das Ergebnis war für uns alle faszinierend. Wir konnten tatsächlich unsere bekannten Abläufe des Präsenztrainings auf ein Online-Format übertragen und hatten zusätzliche Methoden zur Verfügung, die in dieser Form vorher nicht möglich gewesen wären.


Durch ständige Optimierung arbeiten wir aktuell daran, ein immer noch besseres, kreatives und inspirierendes Umfeld für flexible Trainings-Formate zu schaffen. Aber nicht nur das: einige unserer Kunden nutzen bereits unser Studio für wichtige Online-Meetings, -Verhandlungen oder -Präsentationen. Durch kleinere Optimierungen haben wir es geschafft, das Umfeld so nutzerfreundlich zu gestalten, dass auch Menschen ohne technischen Background spontan hier ein Online-Meeting mit ihren weltweiten Teams abhalten können, dabei Visualisierungen nutzen und mit verschiedenen Kameraeinstellungen (z.B bei Co-Moderationen) arbeiten können.

Was wir hier konkret tun und wie wir mit hybriden Formaten arbeiten (also online und offline vielfältig verknüpfen) möchte ich gerne in einem der nächsten Artikel erzählen. Ausserdem gebe ich einen Einblick in die Planung und Umsetzung eines weiteres Studios für gemischte Seminare in der Wiener Innenstadt. Dabei werde ich das Geheimnis lüften, was das Ganze mit Kochen auf Haubenniveau zu tun hat. Disruption bleibt spannend. Bis zum nächsten Mal.


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