Ein Gastbeitrag von Jürgen Pfeiler.
Jürgen Pfeiler ist Experte für „New Work“ Transformationsprozesse und unterstützt Organisationen dabei, ihren individuellen Weg in eine neue Arbeitswelt zu finden. Er ist Gründer und Geschäftsführer von Corporate Culture Consulting (CCC). Als ausgewiesener Spezialist für Human Resources und mit seinem langjährigen Praxis-Know How als Head of HR in verschiedenen Organisationen, lizenzierter PCM-Coach und -Trainer
sowie zertifizierter TMA-Experte entwickelt er nicht nur Konzepte zu „New Work“ (wie werden wir morgen zusammenarbeiten), sondern setzt diese Konzept auch gemeinsam mit seinen Kunden und Partnern um.
In seinem Gastbeitrag betrachtet Jürgen Pfeiler für uns die aktuelle Corona-Situation aus Sicht der Organisations- und Persönlichkeitsentwicklung und beschreibt mögliche dauerhafte Veränderungen, die wir in ein „Danach“ mitnehmen werden.
Die COVID-19 Krise ist mittlerweile „fast“ zur Normalität geworden. Man hat die Situation akzeptiert und wartet ab. Aber auf WAS warten?! Es kommt mir vor, als ob es immer noch Personen geben würde, die meinen, wenn das Ganze einmal vorüber ist, mache man dort weiter, wo man aufgehört hat.
Das wird jedoch nicht passieren!
Denn eigentlich hat uns das Corona-Virus nur auf einen Weg gezwungen, den wir eigentlich schon längst hätten gehen sollen. Die großen Treiber unserer Zeit, allen voran Digitalisierung, Generationswandel, Globalisierung und Wertewandel verlangen schon seit einiger Zeit nach einer schnelleren, flexibleren und mensch-zentrierteren Arbeitswelt.
Begriffe wie „New Work“, „Agilität“, „Employer Branding“ oder „Talent Management“ waren in den letzten Jahren zwar absolut hip und gern verwendet. Allerdings hat man sich lieber mit den Überschriften geschmückt, als die dafür notwendige Denk- und Verhaltensmuster wirklich zu übernehmen. Es ist natürlich viel einfacher einen Teilaspekt herauszuschälen, diesen umzusetzen, um sich dann beruhigt zurückzulehnen.
Ein gutes Beispiel ist „Aglität“! Dieses Schlagwort ist in aller Munde und seit einigen Jahren will jedes Unternehmen irgendwie „agil“ sein. Man glaubt, wenn man überall agile Arbeitstechniken einführt, ist das der Weg zum Ziel. Auf einmal müssen alle Abteilungen „Standup-Meetings“ machen, ihre Projekte in Canvas abbilden und in Sprints zerlegen.
Bitte mich nicht falsch zu verstehen. Ich liebe diese Techniken. Ich wende sie selber an, sofern sie passend sind und es Sinn macht. Es ist jedoch SINNLOS, die Techniken allen Abteilungen und Mitarbeitern aufzuzwingen. So hat etwa ein Ferrari Testarossa nichts auf einer Schotterstraße und ein Jeep Wrangler nichts auf der Rennstrecke zu suchen.
Macht man das Ganze nur deshalb, um sich danach die Plakette „Agilität“ umhängen zu dürfen, hat man den Sinn und das „WARUM“ hinter der ganzen Thematik nicht wirklich verstanden. Denn wirklich agile Unternehmen können sich schnell auf neue Rahmenbedingungen einstellen. Da werden Entscheidungen dort getroffen, wo sie auch anstehen und müssen nicht irgendwelche Hierarchien hinauf- und hinunter wandern.
Was nützen die schönsten und besten Agilitäts-Techniken, wenn es immer noch streng hierarchische Strukturen gibt, Entscheidungsspielräume nicht erweitert und Verantwortung nicht nach unten abgegeben wird? Nichts! Der Effekt ist gleich Null!
Was hier am Beispiel von Agilität beschrieben wurde, passiert aber an vielen Stellen auch mit all den anderen Themen und Schlagwörtern. Man entscheidet sich für isolierte Einzelmaßnahmen, die leicht umzusetzen sind, für die man sich aber nicht zu weit aus der Komfortzone bewegen muss. Natürlich ist es leichter ein paar kreative Arbeitstechniken einzuführen, als die Führungsstrukturen zu hinterfragen.
Mit anderen Worten, die Wenigsten haben wirklich ihre Denk-, Handlungs- und Verhaltensmuster geändert oder angepasst. Plötzlich jedoch zwingt uns ein doofer Virus dazu, komplett neue Wege zu gehen! Viele Unternehmen hat es so schwer getroffen, dass sie nun doch auf Home Office umschalten MUSSTEN. Denn davor galt noch die allgemeine Sprachregelung, dass das aus „Gründen der Sicherheit“ (oder ähnliches) gar nicht möglich sei. Tja, auf einmal ging es doch.
So wird das zukünftig bei vielen Dingen sein. Speziell das Thema Führung wird sich ändern müssen. Denn zukünftig wird es wesentlich mehr virtuelle Teams geben und die Mitarbeiter werden auch wesentlich mehr Flexibilität in der Arbeit einfordern. Dass es grundsätzlich möglich ist, hat uns ja Corona gezeigt.
Die COVID-19 Krise ist jedenfalls ein unbarmherziger Gradmesser hinsichtlich nachhaltiger Verankerung von Leitthemen wie „Leadership 4.0“, „Agilität“ oder „Engagement“. Sind diese Themen nicht 100%ig implementiert, bzw. werden sie nur teilweise gelebt, wird dies nun offensichtlich.
In dieser Situation ist es wichtig, dass man die Dinge offen und ehrlich analysiert. Ist man zufrieden, wie die Themen in der Organisation umgesetzt werden? Hier ist natürlich Objektivität gefragt! Sich die Dinge schön zu reden bringt niemanden etwas. Ist man mit dem Ergebnis der Analyse wirklich zufrieden, dann darf man gratulieren! Offensichtlich wurden die Themen gut und nachhaltig implementiert.
Ist man mit dem Output nicht zufrieden, dann sollte man jetzt aktiv werden und die Themen so implementieren, dass sie Teil der Organisations-DNA werden können. Mit großer Wahrscheinlichkeit muss man dafür die individuelle Komfortzone verlassen und neue Denk-, Verhaltens- und Handlungsweisen ausprobieren.
Folgend nun 3 Punkte, die man sofort in Angriff nehmen kann und die ersten Schritte in Richtung nachhaltige Veränderung setzen:
1. Sensibilisieren Sie Ihr Umfeld für die Problempunkte
Fragen Sie KollegInnen und MitarbeiterInnen wie sie die Situation sehen. Stoßen Sie das Thema an, enttabuisieren Sie es und machen Sie es zu einem Diskussionspunkt.
2. Definieren Sie Ihren Einflussbereich
Überlegen Sie, unabhängig von dem Hierarchielevel, wie Sie die Thematik mit Ihren Mitteln nachhaltig beeinflussen können. Werden Sie sich bewusst, dass Sie Veränderungen bewirken können.
3. Involvieren Sie KollegInnen & MitarbeiterInnen
Nutzen Sie die Ideen und Potentiale Ihrer KollegInnen. Erstens sind Gruppen und Teams, wenn man sie richtig abholt, kreativer und innovativer. Zweitens verschafft diese Involvierung auch eine Verbundenheit zum Thema.
Den zweiten Punkt „Einflussbereich“ möchte ich kurz noch einmal speziell hervorheben. Ich höre oft von Führungskräften, mit gefühlt geringerem Einfluss, dass sie selber nichts machen könnten, da die Organisation veränderungsresistent sei. Das stimmt jedoch nicht! Sie können etwas verändern und zwar in Ihrem Einflussbereich – Ihrem Bereich, Ihrer Abteilung oder Ihrem Team. Wenn Sie wirklich dahinterstehen, wird Ihr Beispiel Schule machen. Sie können das erste Zeichen setzen!
Nutzen Sie die Situation um die wichtigen Themen der zukünftigen Arbeitswelt transparenter, erlebbarer und nachhaltiger zu gestalten. Warten Sie nicht, bis die Krise irgendwann vorbei ist, bevor Sie aktiv werden. Dann kann es schon zu spät sein!
Mein Appell: Werden Sie aktiv und gestalten Sie IHRE NEUE ARBEITSWELT!
Beste Grüße,
Jürgen Pfeiler
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