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Veränderung und Disruption

Gruselig echt. Schlimmer als im Lehrbuch. Und spürbarer, als mit dem Hintern auf der Herdplatte. Das, was wir alle gerade erleben, ist kein „Veränderungsprozess“, wie wir ihn so oft beschrieben und begleitet haben. Das, was gerade passiert, uns alle betrifft und unser Handeln, Arbeiten, Wirtschaften und unser Miteinander für immer verändern wird, ist eine Disruption.



Wenn wir uns in unserem vorläufig letzten „echten“ Change-Seminar mit einem unserer Kunden (wohlgemerkt vor wenigen Tagen/Wochen) im Seminar-Raum, gemeinsam mit echten Menschen, die sich die Hände schütteln, in den Arm nehmen und Küsschen auf die Wange drücken durften, über eine disruptive VUCA-Welt unterhalten haben (VUCA = Volatile, Uncertain, Complex, Ambigous), dann hätten wir nie geahnt, wie sehr alle Beispiele dazu heute lächerlich wirken.


 
Verlassen Menschen ihre Komfortzone (freiwillig oder nicht) sprechen wir plakativ von einem Eintritt in die Panikzone. Zwangsläufig entwickeln wir Energien und Techniken und werden zum Stehaufmännchen.
 

Wir haben uns darüber unterhalten, wie neue Geschäftsmodelle die alten Ansätze hinwegfegen. Wir haben über die Blindheit von Marktführern gesprochen, die die Zeichen der Zeit nicht erkennen. Wir haben die Effekte von Digitalisierung und Demographischer Entwicklung diskutiert. Aber niemand hätte auch nur im Ansatz an eine derartige Benchmark in Sachen Disruption geglaubt. Jetzt ist sie da und sie macht uns stärker.

Veränderung führt uns immer aus unserer Komfortzone. Fast schon zynisch mag dieser Begriff im Kontext der aktuellen Situation klingen. Aber plakativer geht es nicht mehr. Wir lernen jetzt im echten Leben viele Dinge zu schätzen, über die wir vor wenigen Tagen noch mannigfaltig geklagt haben. Die Dimensionen verschieben sich. Der Fokus ist derart konzentriert, dass es uns schon schwerfällt, in den (sozialen) Medien Artikel zu lesen, die nicht mit der Corona-Situation zu tun haben. Interessant zu beobachten ist für mich in den Gesprächen (heute: Telefonaten) mit meinen Klienten aber, wie schnell sich viele Menschen mit der Situation arrangieren und Methoden zum Umgang damit entwickeln. Die Lebensgefährtin eines guten Freundes erzählt, dass es zwar ein paar Stunden gedauert habe, den Online Zugang fürs Homeoffice einzurichten, aber jetzt fühle sie sich super damit und müsse zugeben: angenehmer als im Büro. Eine Klientin sagte mir gestern am Telefon: „Man darf es ja nicht laut sagen, aber ich laufe grade zu Höchstleistungen auf!“ (Wohlgemerkt: wir sprechen von Woche eins). Verlassen Menschen ihre Komfortzone (freiwillig oder nicht) sprechen wir plakativ von einem Eintritt in die Panikzone. Mein lieber Freund Willi Chen, einer meiner Netzwerkpartner, CrossFit Trainer und Leistungssportler hat mir in unserem letzten gemeinsamen Seminar den Begriff der Panikzone durch den Begriff der Performancezone ersetzt. Denn zwangsläufig entwickeln wir (und zwar immer) Energien und Techniken, mit diesen Veränderungen umzugehen. Wir stabilisieren uns automatisch wie ein Stehaufmännchen. Je extremer die Anforderungen von aussen und je schlimmer die potentiellen Auswirkungen, umso deutlicher verläuft diese Stabilisierung. Ist die potentielle Gefahr nicht groß genug, brauchen wir keine Energie aufzuwenden, um ihr entgegenzuwirken. Das ist der Grund, warum in schweren Zeiten oft die größten Entwicklungen der Menschheitsgeschichte entstanden sind.

Meine Botschaft an Euch: wir können viel mehr als wir unter dem ersten Eindruck einer Panikzone erkennen. Eine kurze Reflexion, ein gutes Gespräch, ein paar stille Momente bringen neue Geschäftsmodelle hervor, schaffen neue Wege der Kommunikation, bringen einen neuen Umgang mit der eigenen Familie und zeigen uns Wertigkeiten auf, die lange vergessen waren. Willi Chen spricht hier aus der sportlichen Sicht von einem (statistisch nicht belegten) Verhältnis von 1:20. Wenn wir heute 1 schaffen, haben wir das Potential für 20. Wir brauchen nur den richtigen Impuls und das entspechende Training dafür. Gelegenheiten zu trainieren haben wir aktuell mehr, als wir bestellt haben.

So sagt meine Frau heute am Telefon zu meiner großen Tochter: „Die grösste Fähigkeit der menschlichen Spezies ist offenbar die Anpassung an neue Rahmenbedingungen!“ Ja, wenn es sein muss und uns die Komfortzone von heute auf morgen weggenommen wird, schaffen wir Dinge, von denen wir nicht zu träumen gewagt hätten.

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